Mobbing machen die anderen…
Natürlich machen es die anderen und nicht das Opfer. Das ist ja gerade, was Mobbing ausmacht, nämlich dass man über lange Zeit aktiv ausgeschlossen wird, von integrierenden sozialen Kontakten,
von Informationen, von Bekundungen der Wertschätzung, von Vertrauen. Mobbing heisst auch, Opfer von aktivem Psychoterror zu werden, also gezielt schikaniert, bedroht und seelisch verletzt zu
werden. Dass es ein schreckliches Gefühl ist, sozial ausgeschlossen zu werden und dass Mobbing bleibende, dramatische und traumatische Schäden hinterlassen kann, steht ausser Frage.
…aber als Mobbing-Opfer kann man auch etwas machen
Unterschiedliche Menschen reagieren unterschiedlich auf Mobbing-Attacken. Ein Kriterium für die Art der Reaktion ist die Resilienz. Darunter versteht man die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf
persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für persönliche Entwicklungen zu nutzen. Wer über eine hohe Resilienz verfügt, kann schnell und wirkungsvoll auf
Mobbing-Gefahren reagieren, sein soziales Netz aktiveren und so mindestens einen seelischen Ausgleich schaffen, bis eine Lösung aus der Mobbing-Situation gefunden worden ist. Dadurch entrinnen
sie zum Beispiel dem Gefühl des Ausgeschlossen-Seins und des hilflos Ausgeliefert-Seins. Wer über wenig Resilienz verfügt, lässt sich rasch von schikanierendem Verhalten beeinflussen, zieht sich
automatisch in sich selbst zurück ist überzeugt, als Opfer völlig ausgeliefert zu sein. Ein Hintergrund für mangelnde Resilienz mag sein, dass man schon früh Verlassenheit und Hilflosigkeit
verbunden mit einer Tabuisierung erlebt hat, so dass man gar nicht wahrnehmen darf, was einem widerfährt. Wenn daraus innere Glaubenssätze entstehen, die nie aufgelöst worden sind, kann man
schnell Opfer von Mobbing werden - nicht zuletzt, weil man als Opfer lange Zeit gar nicht wahrhaben will/darf, was eigentlich passiert.
Missverständnisse vermeiden
Wer immer darauf hinzuweisen versucht, dass die Mobbing-Opfer möglicherweise mit ihrem eigenen Verhalten dazu beitragen, dass sie dermassen verletzt werden, der wird aus Sicht der Mobbing-Opfer
sofort selbst zum Feind. Wenn ein Mobbing-Opfer zu einem Coach kommt, gibt es also eine grosse Gefahr:
Wenn der Coach nicht sensibel genug ist, und z.B. zu schnell mentale Selbstverteidigungskräfte aktivieren will, kann es schnell passieren, dass der Klient seine stärksten Schutzschilder gegen den
Coach auffährt und für gar nichts mehr empfänglich ist. Denn aus Sicht des Opfers geht es in der akuten Situation in keiner Weise um die Selbstverantwortung des Opfers sondern alleine darum, dass
man gemobbt wird. Alles, was sie in einer Krisensituation benötigen, ist Beistand und konkrete Unterstützung, um schnellstens aus der Mobbing-Situation zu kommen. Abgesehen von Massnahmen, die
sich auf die akute Situation beziehen, geht es darum, zuerst ganz beim Klienten zu sein und ihn und seine Geschichte wirklich achtsam anzuhören und zu verstehen. Dabei braucht es eine Atmosphäre
des uneingeschränkten Vertrauens und der Bestätigung, dass der Coach wirklich ganz auf Seiten des Mobbing-Opfers ist. Wenn es dann mit konkreten Massnahmen mithilfe Dritter (Personalabteilung des
Unternehmens, Juristen, Selbsthilfegruppe) gelungen ist, die Situation zu entschärfen und dem Klienten zu helfen, Abstand zu erhalten und den Selbstkontakt wieder herzustellen, dann wird es
hilfreich, mit dem Klienten so zu arbeiten, dass er seine Resilienz stärken kann, sodass er ein Vertrauen in sich selbst erhält, dass er nicht mehr so schnell in eine Mobbing-Situationen geratet.
Diese Arbeit kann je nach Coach und je nach Klient sehr unterschiedlich sein.
Anmerkung: Dieser Artikel erscheint auch als Beitrag in der Xing-Gruppe "Fachforum Mobbing - Informationen und Unterstützung"
Gabriele Bauer (Donnerstag, 09 August 2012 13:20)
Vielen Dank für die Erinnerung. Ungeteilte Aufmerksamkeit und eine Atmosphäre des Vertrauens sind auch nach meiner Auffassung für jede Art von Heilung und Verbesserung nötig.
Ich finde es sehr wichtig, immer wieder daran zu denken.
Liebe Grüße und besser und besser,
Gabriele Bauer